10.04.2025
Barrierefreiheit im digitalen Raum ist heute wichtiger denn je. Websites und Applikationen, die für alle Nutzer:innen zugänglich sind, schaffen nicht nur Inklusion und eine bessere User Experience, sondern erfüllen auch wichtige regulatorische Vorgaben.
Digitale Barrierefreiheit ist ein zentraler Bestandteil einer guten User Experience und sorgt dafür, dass Websites und Applikationen für alle Menschen nutzbar sind. Unternehmen, die Barrierefreiheit konsequent umsetzen, profitieren nicht nur von einer grösseren Reichweite, sondern auch von einer besseren Usability und einer stärkeren Markenwahrnehmung.
Doch was bedeutet digitale Barrierefreiheit konkret? In diesem Beitrag beleuchten wir die wichtigsten Aspekte – von den Mehrwerten barrierefreier Websites über die grundlegenden Prinzipien bis hin zu den geltenden und kommenden gesetzlichen Vorgaben.
Mehrwert barrierefreier Websites
Barrierefreie Websites bieten nicht nur Vorteile für Menschen mit Behinderungen, sondern verbessern auch die Usability für alle Nutzer:innen.
- Erweiterung der Zielgruppe: In der Schweiz leben gemäss Bundesamt für Statistik rund 1,8 Millionen Menschen mit einer körperlichen oder kognitiven Einschränkung – etwa 20 % der Bevölkerung. Hinzu kommt eine grosse Anzahl Menschen mit Migrationshintergrund oder Leseschwäche, die von einfacher Sprache profitiert. Diese bedeutende Zielgruppe wird durch inklusive Webpräsenzen adressiert. Barrierefreiheit erweitert somit die Zielgruppe, übernimmt Verantwortung und eröffnet Unternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten.
- Zukunftssicherheit: Die frühzeitige Implementierung von Barrierefreiheit hilft Unternehmen, zukünftige gesetzliche Anforderungen proaktiv zu erfüllen und sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Barrierefreiheit ist nicht nur ein Trend, sondern wird langfristig eine entscheidende Rolle in der digitalen Landschaft spielen.
- Bessere Sichtbarkeit und Auffindbarkeit: Accessibility trägt zur Suchmaschinenoptimierung (SEO) und zur Optimierung für künstliche Intelligenz (AIO) bei, da strukturierte, verständliche und zugängliche Inhalte von Suchmaschinen-Crawlern und KI-Modellen (z.B. Large Language Models) besser erfasst und interpretiert werden können. Dies führt zu einer verbesserten Auffindbarkeit in Suchmaschinen und einer besseren Verwertung der Inhalte durch KI-gestützte Systeme.
- Stärkung der Markenwahrnehmung und Kundenbindung: Barrierefreie Websites signalisieren eine klare Wertehaltung und gesellschaftliche Verantwortung. Dies stärkt das Vertrauen der Nutzer in die Marke und fördert langfristige Kundenbeziehungen. Unternehmen, die digitale Inklusion aktiv umsetzen, positionieren sich als sozial und zukunftsorientiert, was sich positiv auf die Markenwahrnehmung auswirkt.
Die vier Grundprinzipien von Accessibility: POUR
Barrierefreiheit im digitalen Raum basiert auf vier zentralen Prinzipien, die unter dem Begriff POUR zusammengefasst werden:
- Perceivable (Wahrnehmbar): Inhalte müssen so gestaltet sein, dass sie von allen wahrgenommen werden können – zum Beispiel durch alternative Texte für Bilder oder Untertitel für Videos.
- Operable (Bedienbar): Alle Funktionen müssen nutzbar sein, beispielsweise durch Tastaturnavigation.
- Understandable (Verständlich): Inhalte und Navigation müssen leicht verständlich sein, ohne unnötige Komplexität. Hierzu zählt auch der Einsatz von leichter Sprache, die Informationen klar und einfach zugänglich macht.
- Robust (Robust): Inhalte sollten mit verschiedenen Technologien und Hilfsmitteln – beispielsweise mit Screenreadern – kompatibel sein.
Diese Prinzipien bilden die Grundlage für ein nutzerfreundliches und barrierefreies Design – und sind zugleich die Basis für die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), die klare Standards für digitale Barrierefreiheit definieren.
Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)
Die WCAG des World Wide Web Consortium (W3C) sind der internationale Standard für barrierefreie Websites und definieren klare Richtlinien, um digitale Inhalte für alle zugänglich zu machen. Sie gliedern sich in drei Konformitätsstufen:
- A: Basisanforderungen, die erfüllt sein müssen, damit Inhalte zugänglich sind.
- AA: Zusätzliche Kriterien, die eine breitere Zugänglichkeit sicherstellen.
- AAA: Höchste Anforderungen, die für maximale Barrierefreiheit sorgen.
Eine optionale Zertifizierung nach den WCAG-Standards kann Unternehmen dabei helfen, ihre Bemühungen zur Barrierefreiheit offiziell zu dokumentieren und nach aussen zu kommunizieren. Solche Zertifizierungen steigern das Vertrauen von Nutzern und Partnern und sind ein wichtiges Signal für gesellschaftliche Verantwortung. Eine detaillierte Übersicht der WCAG 2.1-Richtlinien sowie Informationen zu einer möglichen Zertifizierung findest du bei der Stiftung «Zugang für Alle», dem Schweizer Kompetenzzentrum für eine barrierefreie Technologieerschliessung und -nutzung.
Gesetzliche Vorgaben ab 2025
Ab Mitte 2025 tritt der European Accessibility Act (EAA) in Kraft und verpflichtet Unternehmen, die digitale Produkte und Dienstleistungen für Personen innerhalb der EU anbieten, die entsprechenden Angebote barrierefrei zu gestalten. Ziel des Gesetzes ist es, Barrieren für Menschen mit Behinderungen abzubauen und einen einheitlichen Standard für Barrierefreiheit zu schaffen.
Die betroffenen Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre digitalen Produkte den Anforderungen des EAA entsprechen. Dazu gehören barrierefreie Designs und Inhalte, die regelmässige Überprüfung der Einhaltung der Standards sowie die Bereitstellung von unterstützenden Funktionen für Menschen mit körperlichen oder kognitiven Einschränkungen. Verstösse gegen die Vorgaben können rechtliche Konsequenzen und empfindliche Sanktionen nach sich ziehen.
Der EAA betrifft unter anderem:
- Websites und mobile Anwendungen
- E-Commerce-Plattformen
- Digitale Dienstleistungen wie Online-Banking
In der Schweiz regelt das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) zusammen mit der entsprechenden Verordnung (BehiV), welche Websites und Onlineangebote barrierefrei sein müssen. Dazu zählen die Websites und Onlineservices von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie von Organisationen, die im Auftrag des Staates öffentliche Dienstleistungen erbringen, wie etwa Verkehrsbetriebe oder Sozialversicherungen. Auch staatsnahe Betriebe wie die SBB oder die Post sowie Projekte, die durch öffentliche Gelder subventioniert werden, sind bereits seit längerem verpflichtet, ihre Online-Präsenzen barrierefrei zu gestalten. Dabei orientieren sich die Anforderungen an den internationalen Standards der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), mindestens auf Stufe AA, um die Nutzung durch Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten.
Derzeit plant der Bundesrat eine Aktualisierung der Gesetzgebung, die voraussichtlich an den EU-Standard angelehnt sein wird. Unternehmen, die sich bisher noch nicht auf diese Anforderungen eingestellt haben, sollten jetzt aktiv werden, um die gesetzlichen Vorgaben rechtzeitig zu erfüllen.
Fazit: Barrierefreiheit als Chance für alle
Barrierefreiheit ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Unternehmen, die Accessibility ernst nehmen, schaffen nicht nur inklusive Erlebnisse, sondern setzen auch ein Zeichen für gesellschaftliche Verantwortung. Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, um die Weichen für eine barrierefreie Zukunft zu stellen. Wenn du deine Website neugestalten möchtest, kann dir unsere Checkliste «7 Schritte für einen erfolgreichen Website-Relaunch» oder unser Leitfaden «Die wichtigsten Erfolgsfaktoren für Corporate Websites» hilfreiche Einblicke geben. Darüber hinaus stehen wir dir als interdisziplinäres Team mit ausgewiesener Erfahrung aus zahlreichen Accessibility-Projekten gerne für einen Austausch zur Verfügung.
03.02.2025